Freunde des smac e.V.

EXKURSION: SIEBEN TAGE IN ISRAEL

Das Tote Meer ist definitiv tot. Mit rund 30% Salzgehalt verhindert es jedes Leben. Und doch gibt es LEBEN AM TOTEN MEER.Das war der Titel der Sonderausstellung im smac. Die Perle im Begleitprogramm der Ausstellung war die Reise der Freunde des smac an das Tote Meer vom 1. bis 7. März 2020.

Mit dabei waren Experten und Interessierte aus Chemnitz, Leipzig, Dresden und Regensburg. Wir besuchten wichtige Ausgrabungsstätten westlich und nordwestlich des Toten Meeres. Unser Quartier war der Kibbuz Ein Gedi. Schon auf dem Weg dorthin, mit dem Reisebus von Jerusalem kommend, besichtigten wir Jericho und Qumran. Vor Ort sahen wir dann Ein Gedi selbst und Masada.

 

Jericho

Am Rande des heutigen Jericho liegt Khirbet Mefjir, der Landsitz des Kalifen Hischam aus frühislamischer Zeit. Heute ist es ein ruhiges, aufgeräumtes Ausgrabungsgelände mit einem kleinen, gut aufbereiteten Museum. Ein Teil der Bau-Ornamentik der Palastanlage ist allerdings prominent im Rockefeller-Museum in Jerusalem ausgestellt. Sehr ruhig ging es auch auf der Baustelle inmitten des Geländes des Hischam-Palastes zu. Hier wird eine große Halle errichtet, die künftig die wertvollen Mosaiken des Badegebäudes schützen und erschließen soll. 

Von dort führte uns ein kurzer Abstecher zu dem griechisch-orthodoxen Kloster, das wie ein Schwalbennest am steilen Felshang des „Berges der Versuchung“ zu kleben scheint. Während der Fahrt mit der Seilbahn hinauf zum Kloster bekamen wir einen guten Überblick über eine der berühmtesten Fundstätten weltweit überhaupt: Tell es-Sultan.

Später, auf dem Tell es-Sultan, näherten wir uns dem Ursprung von Jericho. Wir sahen die beeindruckenden Reste des Turmes von Jericho (8.000 - 10.000 Jahre alt), der die Ausgräberin Kathleen Kenyon vor 60 Jahren dazu verleitete, Jericho zur ältesten Stadt zu erklären. Eine Quelle (Ain es-Sultan) neben dem Hügel war die Grundlage dafür, dass sich hier über viele Jahrtausende immer wieder Menschen ansiedelten, Häuser bauten, Handel und Handwerk betrieben und insbesondere sehr erfolgreich Datteln anbauten.

Letzte Station in Jericho waren die Überreste der Herodianischen Palastanlagen am Ausgang des Wadi Qelt. Hier gab unser Besichtigungspunkt auf einem künstlichen Hügel – den Überresten eines turmartigen Baus – den Blick auf das weitläufige Gelände frei. Und versetzte uns ins Staunen, wie luxuriös Herodes am Rande der Wüste lebte.

Qumran

Unsere zweite Station am Toten Meer war Qumran. Welche Funktion hatte die Siedlung, von der wir nicht einmal den antiken Namen kennen? Das fragen sich nicht nur Besucher, sondern auch Wissenschaftler. Es ist heute keine liebliche Oase, sondern eine abweisende Mergellandschaft am Fuße steiler Berge – immerhin mit einer aufwändigen Wasserversorgung aus den Bergen und riesigen Zisternen in der Siedlung. Doch einzigartig sind nicht die baulichen Überreste, die heute gerne als Gutshof gedeutet werden, sondern die Funde von Schriftrollen in den Höhlen hier und in der Umgebung. Einige der wichtigsten Schriftrollen konnten wir tags zuvor im Schrein des Buches im Israel Museum in Jerusalem sehen. Ausgewählte Funde aus Höhlen der Umgebung waren auch im smac zu besichtigen.

IMG 0954 Blick von Qumran aufs Tote Meer | Foto: Jörg Wiedemann

Ein Gedi

In einem schmalen Streifen zwischen den Bergen der judäischen Wüste und dem tristen Ufer des Toten Meeres liegt die Oase Ein Gedi. Luftbilder zeigen den Kibbuz als einen grünen Fleck inmitten der Wüste. Es ist ein Ort des Lebens am Toten Meer, ein Naturparadies mit zahlreichen exotischen Pflanzen. In der Oase gibt es neben dem in der Eisenzeit begründeten Tell Goren weitere Ausgrabungsstätten von der Kupfersteinzeit bis in die byzantinische Zeit. Dazu kommt das Naturschutzgebiet. Hier könnte man länger bleiben – woran auch das Restaurant des Kibbuz Hotels seinen Anteil hatte.

20200305 174113 Blick von En Gedi aufs Tote Meer | Foto: Jörg Wiedemann

Schwere Regenfälle über der Wüste verhinderten weitgehend die Besichtigung der einzelnen Ausgrabungsstätten von Ein Gedi. Aber immerhin gelang es uns noch die Reste der byzantinischen Synagoge mit wunderbaren Mosaiken anzuschauen, bevor wir uns vor schwerem Regen in den Reisebus zurückziehen und warten mussten bis die überflutete Straße wieder passierbar war. Der seltene Regen in der Wüste kann schnell katastrophale Folgen haben.

Masada

Nur wenige Orte im Heiligen Land haben für Israel eine so hohe symbolische Bedeutung wie Masada. Doch selbst ohne diese Symbolik gehört der Felsen zu den herausragenden archäologischen Plätzen im Land. Auch auf diesem isoliert stehenden Felsmassiv, abgetrennt von den judäischen Bergen, ließ Herodes große Palastanlagen erbauen. Der intime Palast an der Nordspitze ist wie ein Adlernest hineingebaut in einen steilen Felshang. Im ersten Jüdischen Krieg waren nach dem Fall Jerusalems Aufständische nach Masada geflohen. Es waren nur ein paar Hundert Kämpfer. Doch die Römer duldeten keinen Widerstand gegen die „Pax Romana“ (und ihre Herrschaft). Der Felsen wurde von den Römern mit einer Mauer eingeschlossen und die Erstürmung vorbereitet. Flavius Josephus berichtet, dass die Aufständischen kollektiven Selbstmord begingen, um den Römern nicht in die Hände zu fallen. Jenseits der Geschichte des Ortes ist allein der Blick vom Plateau über das Tote Meer einen Besuch wert.

IMG 1055 Freundin Yvonne Schmuhl erklärt die Geschichte von Masada | Foto: Jörg Wiedemann

Unsere Reise galt dem Leben am Toten Meer. Aber wie soll man Israel besuchen, ohne auch nach Jerusalem zu reisen? Drei Nächte wohnten wir im „Holy Land Hotel“ in Jerusalem. Von der Dachterrasse aus lagen die Mauer der Altstadt und inmitten der Altstadt der Tempelberg direkt vor uns. Links war der Ölberg zu sehen und ein Stück weiter der Skopusberg.

Und so wie zum smac die Erkerausstellungen mit der Erinnerung an Salman Schocken, seinen Warenhauskonzern und „seinen“ Architekten Erich Mendelsohn gehört, so durfte auf der Reise nach Israel auch die Begegnung mit den Spuren von Salman Schocken und Erich Mendelsohn nicht fehlen. Leider konnte das Weizmann-Haus in Rehovot – Mendelsohns erster Bau in Palästina - nicht besichtigt werden. Das heutige Rambam-Krankenhaus in Haifa lag weit weg von unserer Reiseroute. Das Hadassah-Hospital und das Klubhaus der Hebräischen Universität auf dem Skopusberg passten nicht in den Zeitplan.

Jerusalem

Am ersten Tag in Jerusalem gingen wir mitten hinein in die Altstadt. Es ist nicht einfach, sich als Ortsfremder dort zu orientieren. Verlaufen ist fast vorprogrammiert – selbst mit dem Stadtplan in der Hand. Denn kein Stadtplan kann das Gewirr von Gassen und Souks, von Treppen und Durchgängen, von Häusern und Mauern realitätsgetreu abbilden. Aber irgendwann kommt man doch wieder an der Stadtmauer heraus.

Wir gingen vom Damaskustor durch einen Souk zum Cardo und stiegen von dort hoch zum Hurva-Platz und wieder hinunter zum Platz vor der Westmauer (Kotel bzw. Klagemauer). Von da stiegen wir wieder hoch zum Tempelberg (arabisch Haram esh-Sharif) mit dem Felsendom und der El Aqsa Moschee. Ständig ging es hinauf und hinunter: Rom ist auf sieben Hügeln erbaut, Jerusalem besteht fast nur aus Hügeln und Tälern. Ungeplant gingen wir dann noch die Via Dolorosa entlang und erhielten einen Eindruck von der Grabeskirche. Am späten Nachmittag stand dann noch der Besuch des Israel-Museums mit dem Schrein des Buches und der archäologischen Abteilung auf dem Plan. Hier konnten weitere Objekte von Fundstätten, die auch im smac präsentiert wurden, besichtigt werden. Herausragend der vollständige Fundkomplex aus der Cave of Treasure im Nahal Mischmar.

Der zweite Tag sollte beginnen wie der erste geendet hatte: mit einem Museumsbesuch. Das klappte leider nicht im ersten Anlauf. So wurde eine Fahrt zum Skopusberg eingeschoben. Die Terrasse unterhalb der (ursprünglichen) Hebräischen Universität und unweit des (ursprünglichen) Hadassah Hospitals gehört – vor allem am Vormittag – zu den schönsten Aussichtspunkten in Jerusalem.

Das Rockefeller Museum – nur wenige Minuten von unserem Hotel entfernt – wurde in den 1930er Jahren erbaut und gestaltet. Damit ist es heute so etwas wie ein Museums-Museum. Es zeigt herausragende Funde aus der Geschichte Palästinas.

Weit außerhalb der Stadt liegt das moderne Hadassah Hospital. Innerhalb eines großen Gebäudes befindet sich die Synagoge, die weltberühmt wurde durch die zwölf Glasfenster von Marc Chagall. Allein in diesem Raum müsste man Stunden verbringen, um diese großartigen Fenster auf sich wirken zu lassen und in sie einzudringen.

Auf der Rückfahrt ging es am Herzl-Berg und an Yad Vashem vorbei. Weiter fuhren wir durch Mea Shearim, sodass wir zumindest einen flüchtigen Eindruck vom ultraorthodoxen Leben in Jerusalem bekamen.

Vor dem Besuch der Schocken-Bibliothek im einstigen „deutschen Viertel“ Rehavia am Nachmittag war noch Gelegenheit, den Spuren von Erich Mendelsohn zu folgen. In voller Schönheit erstrahlt noch die frühere Anglo-Palestine Bank an der Jaffa Straße. Erhalten ist auch die alte Windmühle, in der Erich Mendelsohn wohnte und sein Jerusalemer Architektur-Büro hatte. Die nur ein paar Minuten davon entfernte Villa von Salman Schocken ist nicht öffentlich zugänglich; nur von der Straße aus ist sie zwischen den Bäumen zu erahnen. Die Villa wurde allerdings auch stark umgebaut.

Höhepunkt der Mendelsohn-Schocken-Spuren-Suche war die Besichtigung der Schocken Bibliothek. Einst war das Gebäude die Privatbibliothek von Salman Schocken. Heute gehört es dem Jewish Theological Seminar und birgt in sich das Erbe des Schocken-Institut mit einem Teil der Sammlungen von Salman Schocken sowie das Archiv der Familie Schocken. So dient das Gebäude – ganz im Sinne von Salman Schocken – bis heute der wissenschaftlichen Forschung. Auch im Inneren ist es in weiten Teilen original erhalten. Wir gingen durch das Treppenhaus und saßen im Lesesaal, wie sie einst von Erich Mendelsohn entworfen und von Salman Schocken benutzt wurden. Rabbi Baruch Yonin, der Archivar des Schocken-Instituts, beschrieb in seiner Einführung Salman Schocken als einen Menschen, der nur die Volksschule besucht hatte, seinen Lebensunterhalt als Kaufmann verdiente, dessen Herz aber der Kultur gehörte. Rabbi Baruch Yonin war einer der Referenten zur Schocken-Tagung im Oktober 2013 im smac.

Tel Aviv-Jaffa

Das Tor nach Israel ist für fast alle Besucher der Ben-Gurion-Flughafen in Tel Aviv-Jaffa. Auch unsere Reise war eingerahmt vom Aufenthalt in der israelischen Metropole am Mittelmeer. Den ersten und den letzten Tag auf israelischem Boden wollten wir dort verbringen. Am Sonntagabend (1. März) hatten wir im Hotel „Ruth Daniel“ in Jaffa eingecheckt. Schon am Morgen verließen wir das Haus wieder und spazierten durch Jaffa. Tel Aviv lernten wir vor allem bei einer Rundfahrt durch die Stadt kennen – soweit man einen Ort aus dem Bus kennen lernen kann. Wenigstens blieb etwas Zeit, um zu Fuß am Dizengoff-Platz im Herzen der Weißen Stadt unterwegs zu sein. Auf dem Weg nach Jerusalem sollte es ein typisch arabisches Mittagessen geben. Im zweiten Versuch gelang es (dank unseres einheimischen Reiseführers) auch, eine passende Gaststätte zu finden.

Der zweite Aufenthalt in Tel Aviv-Jaffa musste ebenso entfallen wie der Besuch des Wadi Qelt mit dem Georgs-Kloster. Reisen in Zeiten von Corona kann schwierig sein und zum Abenteuer werden – das erlebten wir nun auch. Am Donnerstagabend, dem 5. März, erfuhren wir, dass Israel keine Touristen aus Deutschland mehr ins Land lässt und dass unser Rückflug am Sonntag gestrichen ist. Bald wurde klar, dass die Lufthansa ab Sonntag, 8. März, den Flugverkehr nach Israel einstellt. Sabine Wolfram mahnte zur Gelassenheit und übernahm es, die Verbindung mit dem Reiseveranstalter und der Deutschen Botschaft aufzunehmen.

Wir waren froh, wenn auch einen Tag früher als geplant, für Samstagfrüh einen Flug zu bekommen. Der größte Teil unserer Reisegruppe flog nach Wien und weiter nach Berlin. Von Berlin aus fuhren die meisten mit dem Bus nach Chemnitz, andere direkt nach Dresden bzw. Leipzig. Nach einer 20-stündigen Reise trafen wir in Chemnitz ein - erschöpft, aber glücklich, dass wir nicht in Israel „hängen geblieben“ waren.  

Ein Dank gilt unserem israelischen Reiseführer (sowie dem Busfahrer), der uns – auch in schwierigen Situationen – sicher durch Israel begleitet und uns mit vielen Informationen das Land näher gebracht hat. Ein Dankeschön geht ebenso an Sabine Wolfram, die geduldig unsere sehr lebendige, quirlige Truppe zusammenhielt und auch dann, als uns die Corona-Hiobs-Botschaften erreichten, mit kühlem Kopf dafür sorgte, dass wir gut nach Hause gekommen sind.

Der Wochenabschnitt Tezawe aus der Tora, der am Tag unserer Heimreise in allen Synagogen gelesen wurde (auch in Jerusalem und Tel Aviv, in Ein Gedi und Chemnitz), spricht u.a. vom „Zelt der Zusammenkunft“. Eine Zeit der Zusammenkunft und der Begegnung hatten wir in Israel. Eine Begegnung mit dem Land und seinen Menschen, seinen Schätzen und seinen Problem, seinen Genüssen und seinen Gefahren. 

                                               Schalom, Chaverim

Ein Reisebericht von Wolfgang Frech