RÜCKBLICK: REISEBERICHT ZUR HESSEN-EXKURSION
Römer und Kelten in Hessen
Exkursion in und um die Wetterau 26.- 29.5.2022
Donnerstag 26.5.
Ankunft am verabredeten Treffpunkt: Oh Schreck, Baustelle.
Die Teilnehmer*innen aus Dresden fahren pünktlich los, nachdem sich der Stress wegen des Busparkplatzes sich aufgelöst hat. In Chemnitz vervollständigt sich unsere Reisegruppe, die von Frau Dr. Wolfram geleitet wird. Für jeden gibt es einen Button und einen ausgezeichnet aufbereiteten Exkursionsführer in die Hand. So können wir uns schon mal in die Materie einlesen und die einzelnen Tagesziele vorab kennenlernen. In diesem Bericht werde ich diesem tollen Werk keine Konkurrenz machen und die wissenschaftlichen Erklärungen dort stehen lassen.
Unsere Fahrt führt uns westwärts in den Taunus und die Wetterau. Hier umfährt der Limes vom Rhein über den Taunuskamm kommend diesen sehr fruchtbaren Landstrich. Auf dem Taunuskamm ist das rekonstruierte römische Kastell „Saalburg“ unser Tagesziel. Wir spazieren zum nahen Limes mit seinem deutlich sichtbaren Wall und Graben. Oft ist er aber vom Wald überwachsen. Die Zeit zur Selbsterkundung des römischen Kastells ist leider sehr knapp. Aber wir bekommen eine profunde Führung der örtlichen Fachfrau: Wir erfahren viel über die Gründung, den Aufbau und die innere Struktur desselben, besichtigen Ausgrabungsgegenstände des Alltags römischer Soldaten und der Handwerker, sehen die Reste der obligatorischen Therme und der Präfektenvilla, können an rekonstruierten Schlafstuben und Küchen das Leben der Soldaten nachempfinden. Auch die religiösen Vorstellungen des Mithraskultes werden uns näher gebracht. Ca. 260 n. Chr. wurde das Kastell mit dem Abzug der Römer aufgegeben. Die heutige Anlage wurde von Kaiser Wilhelm II. Ende des 19. Jhs. nach damaligen Befunden und Vorstellungen rekonstruiert und aufgebaut. Sie ist sozusagen zum 2. Mal ein Denkmal geworden. Mittlerweile ist es Abend geworden. In der "Taberna" des Kastells erwartet uns ein römisches Buffet. Es vermittelt uns, was den Römern den Gaumen kitzelte.
Freitag, 27.5.
Heute wird gewandert: großes Ziel am Vormittag ist der Altkönig (798m), der dritthöchste Berg des Taunus. Auf dem Weg zum Gipfel überqueren wir auf ziemlich steinigen und unwegsamen Strecken die keltische Doppelringanlage aus der Frühlaténezeit, deren Befestigungsmauern leider die Jahrtausende nicht überstanden haben und sich als Geröllhalden um die Bergkuppe ziehen. Sie hat auch einen so genannten Annex, der mit seiner Quelle die Wasserversorgung sicherte. Auf dem Gipfelplateau vermuten die Forscher einen Fürstensitz oder einen Kultplatz. Nach der Anstrengung des Aufstiegs ist es ein erhebendes Gefühl, auf solch geschichtsträchtigen Boden zu stehen.
Leider war der Abstieg von starkem Landregen begleitet! Aber in der Waldgaststätte „ Zum Fuchstanz“ können wir etwas trocknen und uns stärken. Als wir zum Parkplatz „Große Kurve“ kommen, wo unser Busfahrer Andreas Vogel schon auf uns wartet, hat ein PKW die Parkplatzeinfahrt nicht bekommen und liegt seitlich im Graben. ADAC, bitte hilf!
Pünktlich kommen wir in Oberursel bei Sonnenschein am Vortaunusmuseum an. Hier erwartet uns Herr Dr. Rittershofer, ein Mitbegründer des Museums und ausgezeichneter Kenner des noch zu besichtigenden Heidetränk Oppidums. Seine Führung durch das Museum ist mitreißend und begeisternd. Wir sehen Hausrat, Waffen, Handwerksgegenstände und Schmuck der keltischen Besiedlung. Ein etwas abweichender, aber interessanter mittelalterlicher Fund ist aus dem Jahr 1382 aus dem nahen Bommersheim zu sehen. Eine Schlammflut hatte ein ganzes Dorf begraben und konserviert.
Wir fahren zum Fuße des Oppidum „ Heidetränk“ und wandern mit vielen interessanten Erklärungen an den Wällen und Toren entlang. Auch hier gibt es einen Annex. Besonders gut ist das Zangentor im Norden erkennbar. Das Heidetränk Oppidum gehört zu den bedeutendsten Siedlungsanlagen der Kelten.
Beim Abendessen in der Gaststätte „Waldtraud“ erfahren und schmecken wir hessische Spezialitäten: Handkäse mit Musik, grüne Soße zu vielen Gerichten und Äppelwoi. Letzerer sollte im Bembel (Tonkrug) serviert und aus dem geripptem (Glas mit geprägtem Rhombenmuster) genossen werden. Das Stöffsche kann pur oder gespritzt (süß oder sauer) getrunken werden.
Samstag, 28.5.
Heute fahren wir in das Herz der Wetterau, nach Friedberg. Wir teilen uns in zwei Gruppen auf, da die zu besichtigende Mikwe, ein jüdisches Ritualbad, klein ist. Aber sie ist tief: 25m in die Erde gegraben, weltweit einmalig. Wir erfahren außerdem viel über Feldbergs Geschichte. Im Mittelalter hatte die Stadt die Bedeutung von Frankfurt heute. Die Marienkirche, das Augustiner Kloster und auch die Mikwe sind 1270 erbaut worden, wie Funde und Dokumente belegen. Auch das jüdische Leben bringt uns der sehr engagierte Stadtführer nah. Im „Wetterau- Museum“ ist die Führung durch die archäologische Abteilung recht knapp, aber wir haben ja schon vieles gehört. Neben vielen interessanten Exponaten gibt es im Museum für Fans eine Elvis- Ecke. Er war hier Ende der 1950iger Jahre als Soldat stationiert.
Bei Sonnenschein und etwas höheren Temperaturen fahren wir zum Glauberg, einem der bedeutendsten Fundplätze europäischer Frühgeschichte. Wir wandern entlang der Erklärungstafeln zum Plateau und folgen dem Weg entlang der Wallanlage. Die zahlreichen Funde der Ausgrabungen können wir im modernen Museum am Fuße des Glaubergs bewundern. Hauptattraktion ist die mannshohe Sandsteinskulptur des „Fürsten vom Glauberg“ mit seiner eigenartigen (Blatt-)Krone, die an überdimensionale Ohren erinnert. Aber auch viele Fundstücke, wie wunderschöner Schmuck, Keramik und Alltagsgegenstände zeugen von der hohen Kultur und Kunstfertigkeit der frühen Kelten um 400 v. Chr. Nach einer Stärkung im Bistro nutzten wir individuell die Möglichkeit der Besteigung des Grabhügels, um einen 360° Rundblick zu genießen.
Weiter geht die Fahrt nach der kleinen Stadt Büdingen, die mit einer kompletten mittelalterlichen Altstadt, die unter Denkmalschutz steht, aufwartet. – Hier essen wir beim „Griechen“ zu Abend. Nach 3 Ouzos wird die Stimmung sehr locker...
Sonntag, 29.5.
Heute begrüßt uns die Sonne wieder, nur die Temperaturen lassen zu wünschen übrig. Auf der Fahrt zur staufischen Kaiserpfalz Gelnhausen, besichtigen wir die Reste des Römischen Kastellbades in Rückingen. Auf der Weiterfahrt zur Pfalz fahren wir an Ortsschildern wie: Linsengericht, Lieblos und Niedergesäß vorbei!
In Gelnhausen empfängt uns eine sehr charmante und kenntnisreiche Gästeführerin. Sie erzählt uns viel Interessantes über die Gründung und die Geschichte, die Bauweise (z.B. Kelchblockkapitelle) und die Nutzung der Pfalz durch Barbarossa. Er weilte sechs Mal hier. Zur Ernährung der kaiserlichen Gesellschaft an einem Tag musste die Bevölkerung 5 Kühe, 26 Schweine und 210 Eier und mehr bereitstellen! Mit gemischten Gefühlen besichtigen wir anschließend den „ Hexenturm“. Über 50 Menschen, überwiegend Frauen, „ warteten“ nach ihren „Verhören“ hier auf ihren Prozess.
Schöne Fachwerkhäuser säumen den Weg zum Untermarkt. Auf schmalem Weg steigen wir zur Marienkirche hoch. Sie wurde im 13. Jahrhundert errichtet und ist mit ihren 4 Türmen das Wahrzeichen der Stadt. Unsachgemäße Restaurierungsversuche im 19.Jh. haben leider fast alle mittelalterlichen Wandfresken zerstört. Interessant ist der Lettner, der Beziehungen zum Dom in Naumburg aufweist. 1534 wurde die Marienkirche evangelisch.
Bevor sich Frau Dr. Wolfram verabschiedet und wir wieder nach Hause fahren, genießen wir noch köstliches Eis einer Gelateria am Gelnhäuser Untermarkt.
Vier äußerst erlebnisreiche Tage liegen hinter uns. Angefüllt mit vielen Eindrücken erreichen wir wieder Sachsen. Ein ganz großer Dank gilt Frau Dr. Wolfram als Hauptorganisatorin und Begleiterin, sowie allen ungenannten Beteiligten.
Gisela Bär